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Seitdem durch Richelieu die politische Macht der Hugenotten und des hohen Adels gebrochen war, die Generalstände nicht mehr berufen wurden, die Parlamente zur politischen Bedeutungslosigkeit herabgedrückt waren, 27) sollte es in Frankreich keine Autorität mehr geben, die nicht auf den König zurückging.28) Der König allein hat die Macht und soll sie mit keinem teilen. 29) Deshalb warnt Ludwig seinen Nachfolger immer wieder davor, einen ersten Minister zu haben.30) So hängt denn alles von dem Willen des Königs ab. Si veut le roi, veut la loi. La loi! In der That beansprucht der König die gesetzgebende Gewalt allein für sich. Man hat behaupten wollen, es habe eine alte Constitution in Frankreich gegeben. Der König war an die Gesetze gebunden, bei der Steuererhebung an die Zustimmung seiner Vasallen und der Stände. Später machten die Parlamente Anspruch darauf, dafs die Gesetze ihrer Genehmigung bedurften, um Giltigkeit zu haben. Alles dies sei gewissermassen eine loi fondamentale gewesen. Die absolute Monarchie Richelieus und Ludwigs sei daher im Widerspruch mit diesen Gesetzen gewesen.31) Man hat das aber, wohl mit Recht, bestritten und gesagt, es habe sich ein gewisses Gewohnheitsrecht (coutume) gebildet und man konnte daraus einige Principien des öffentlichen Rechts ableiten. Das blieb aber blofse Theorie; im Grunde war die alte Monarchie un monarque sage, servi par des ministres intelligents«. Die Personen waren alles, die Institutionen nichts.32)

Ludwig selbst hat mit vollem Bewusstsein geleugnet, dafs irgend eine Macht auf Erden ihn hindern könne, zu thun, was er wolle. Die Worte Bossuets sind recht nach seinem Sinn. Er allein hat die allgemeine Sorge für das Volk, ihm kommt die Ausführung der öffentlichen Arbeiten zu, ihm die Beaufsichtigung der festen Plätze und der Waffen, ihm die Auszeichnungen, keine Gewalt, die nicht von der seinigen abhängig ist, keine Versammlung, als auf seine Ermächtigung hin.33) Das wird streng durchgeführt. In Gerichtshöfen, denn die Ausübung der Justiz ist dem Königtum wesentlich, 34) steht der Thronsessel des Königs; vor demselben steht der Präsident, als ob der König da wäre.35) Im conseil wird immer ein leerer Sessel für den König bereit gehalten.36)

Die höchsten Beamten des Reiches waren ursprünglich Beamte des Königs, seine Sekretäre, durch die er seine Befehle ausfertigen liefs. Aber diese Schreiber von früher sind jetzt als die vier Staatssekretäre die mächtigsten Personen im Reich. Die früheren Grofswürdenträger, der grand connétable, grand Admiral, grand chancelier, grand colonel etc. waren auch vom König eingesetzt worden, waren dann aber unabsetzbar und befahlen Kraft eigenen Rechts. Daher waren ihre Würden unterdrückt oder doch aller Macht beraubt worden. Die Staatssekretäre aber waren vom König abhängig und mufsten alle ihre Anordnungen dem König zur Unterschrift vorlegen. Denn Ludwig wachte eifrig darüber, dass

27) cf. Soupirs de la France esclave, qui aspire après la liberté 1689. Wohl das stärkste, was gegen den Despotismus Ludwigs gesagt ist, findet sich hier. 28) Louis sagt seinem Sohn, œuvres II 29 dans

l'état où vous devez régner après moi, vous ne trouverez point d'autorité, qui ne se fasse honneur de tenir de vous son origine et son caractère. 29) a. a. O. I 59, il n'est rien qui établisse avec tant de sûreté le bonheur et le repos des provinces que la parfaite réunion de toute l'autorité dans la personne seule du souverain; le moindre partage qui s'en fait produit toujours de très grands malheurs. 30) Oeuvres I. considérations p. 82. 32) Sorel I. 188. Wie weit es Grundgesetze in der absoluten Monarchie giebt, ist überhaupt schwierig zu sagen. cf. Gareis, allgem. Staatsrecht. 33) Politique 1. IV. prop. 3. 34) justice tellement essentielle à la royauté et tellement propre au roi seul qu'elle ne peut être communiquée à nul autre (Louis XIV. œuvres I 50). 35) Chéruel, dictionnaire 36) d'Avenel I 51.

maîtres des requêtes.

31) d'Avenel I. c. 1 u. 3 und überall.

dieselben von ihm auszugehen schienen. Fast ängstlich sucht Colbert, der grofse Verwaltungsmann, die Urheberschaft eines erfolgreichen Gedankens von sich abzuweisen und dem König zuzuschreiben.37) Denn der König wollte den Ruhm von allem, was geschah, haben.38) Es sollte nichts neben ihm geben, was auf selbständige Bedeutung Anspruch machte.39) Später wurde dem König jeder Widerspruch, jede eigene Meinung unerträglich. Er umgab sich in der zweiten Hälfte seiner Regierung mit Ministern, die nichts selbständiges vorzubringen wagten, sondern auf seine Anregung warteten.40)

Und der König besals auch die Fähigkeit, alles zu leiten. Denn auch eine Art göttlicher Allwissenheit kommt ihm nach Bossuet zu. »Er mufs wissen, was im Innern und aufser seinem Königreich vorgeht; er mufs zur rechten Zeit zu sprechen und zu schweigen wissen, er mufs Gesetze und Menschen kennen, er mufs seinen Ministern die nötigen Anweisungen geben.41) Ludwig selbst ist sich dieser schweren Aufgabe bewufst, 49) glaubt sie aber lösen zu können. Er hält sich für einen grofsen Feldherrn43) und Staatsmann.44) Auch glaubte er, besonders in späteren Jahren, seinen Ministern überlegen zu sein und diese, übrigens schon Colbert und Louvois, zeigten sich bei jeder Gelegenheit von der überlegenen Weisheit des Königs überzeugt.45) Die Zeitgenossen schrieben ihm alle Gaben des Geistes zu, nicht blofs Schmeichler, sondern ernsthafte Männer. Noch ein berühmter neuerer französischer Litterarhistoriker sagt von ihm.46) Der Geist der Gesellschaft war in ihm verkörpert. Mit ihm trat etwas völlig neues in die Welt. Seine Worte wurden gesammelt wie Maximen der Weisheit u. s. w. In einer seiner früheren Predigten sagt Bossuet von ihm: Frankreich geniefst dasselbe Schauspiel, das Israel genofs, als in dem zweiundzwanzigjährigen Salomo ein vollkommener König auf den Thron kam.47)

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Dafs ein König, der so Gott auf Erden ist, keiner Autorität auf Erden sich unter

87) »ces sortes de discours ne sont recevables (le roy gouvernant son état et prenant la direction de ses affaires de lui mesme) ni conformes à mon humeur (bei Luçay p. 57) Brief vom 30. November 1662 an einen Intendanten bei Clément, Colbert I 491. 38) Louis sagt selber: »il fallait avant toutes choses établir ma propre réputation « Daher habe er Minister von nicht zu hervorragender Stellung gesucht pil fallait connaître au public par le rang même d'où je les prenais que mon dessin n'était pas de partager mon autorité avec eux (œuvres I 36). 39) il ne voulait de grandeur que par émanation de la sienne,

toute autre lui était odieuse (St. Simon, mém. XII 40), auch Spanheim (bei Dohm III 174) nennt ihn »jaloux du dernier point de son autorité. cf. Rousset, Louvois I 2. 40) il finit par croire que ceux qui obéissaient le plus aisément étaient aussi ceux qui faisaient le mieux et que les plus commodes étaient aussi les plus capables (St. Allaire II 299). 41) Politique. 1. IV. prop. 3. cf. auch V. 1. 1. »Der König ist die 42) avoir les yeux ouverts sur toute la terre; appren

Seele und der Verstand (intelligence) des Staates. dre incessamment les nouvelles de toutes les provinces et de toutes les nations, le secret de toutes les cours... être informé d'un nombre infini des choses qu'on croit que nous ignorons (œuvres I 22). Freilich kommt ihm wohl einmal der Gedanke, s'il était possible qu'un seul homme sût tout et fit tout (a. a. O. 29). 43) la postérité aura peine à croire que j'aie pu fournir de troupes etc. cependant j'avais si bien pourvu à toutes choses et mes ordres furent exécutés avec tant de régularité etc. (im mémoire des Königs über den Feldzug von 1672 (Rousset I 529). 44) Das zeigen seine Memoiren, besonders das Behagen, mit dem er die Unterhandlungen mit England auseinandersetzt. In dem neuesten Werk über die Verhandlungen, die dem spanischen Erbfolgekrieg vorangingen, wird seine Geschicklichkeit gelobt. (cf. Reynald, I 48 u. II 2.) sagt zu Barbézieux je vous formerai, comme j'ai formé votre père. Colbert schreibt an den König, als derselbe seinen Sohn persönlich in die Geschäfte einführen will. V. M. veut encore créer pour ainsi dire son esprit; (le roi), le plus éclairé de tous les hommes et le plus puissant roi qui ait jamais monté sur le trône (Clément, Colbert I. 428). 46) Nisard, histoire de la littérature française. vol. II. 47) Floquet. I 200.

45) Er

werfen braucht, versteht sich. Wie sehr das auf die auswärtigen Beziehungen Frankreichs eingewirkt hat, ist bekannt. Der König machte beinah darauf Anspruch eine Art Polizeigewalt in Europa auszuüben.48) Sogar die Natur mufs sich der Königlichen Gewalt unterwerfen. An von der Natur nicht begünstigten Stellen49) müssen prächtige Gärten entstehen. Flüsse werden abgeleitet zum Vergnügen des Königs.50) Das unmögliche soll möglich sein,51) wenn der König es befiehlt. Seine Gewalt ist unwiderstehlich. «52) Es giebt kein Urteil über dem seinen.. 53) Die Gesetze zwingen ihn nicht. 54) Es ist das gröfste Unrecht, seinen Anordnungen zu widerstehen.55) Die Unterthanen dürfen ihre niedere Einsicht nicht der des Königs entgegenstellen.56) Dem Herrscher gegenüber giebt es keine politischen Rechte.

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Überhaupt keine Rechte! Denn auch Eigentum und Leben der Unterthanen gehören dem König. Ihm gehört alles, was im Lande ist, das Geld, was in den Truhen der Unterthanen ruht, der Grund und Boden, auf dem sie sitzen, ist sein; er erlaubt nur die Nutzniefsung, kann aber jeden Augenblick all ihr Hab und Gut und ihr Leben für sich in Anspruch nehmen.«57) Das war die Meinung Ludwigs selber. Aber es gab auch eine ganze Schule von Rechtslehrern, die dem König das Eigentum des französischen Landes zuschrieben. Es entsprang diese Ansicht aus einer Verwechselung von Eigentum (propriété) und Souveränetät, die der Feudalzeit vielfach eigentümlich war.58) Dieser Gedanke, noch im Anfang der Regierung Ludwigs mit Befremden aufgenommen,59) fand später in einzelnen Fällen praktische Anwendung.60) So sind denn auch die Steuern und die dons gratuits des Klerus nur immer Abschlagszahlungen, die dem König dafür geleistet werden, dafs er seinen Unterthanen die Nutzniefsung ihres Besitzes läfst. Von einzelnen Beamten wird das auch ausgesprochen1) Der Staatsschatz war von dem Königlichen nicht getrennt. Der König stellte eine Ordre auf den Schatz aus, worauf stand, je sais le motif de cette dépense« und diese Ordres mufsten vom Generalcontroleur honoriert werden. Am Ende des Jahres wurden diese Ordre im Beisein des Königs verbrannt, so dafs nur die Summe dessen, was für den König ausgegeben war, dem Generalcontroleur bekannt war, aber nichts weiter. 62) Das Interesse des Königs ist ja immer das des Volkes; 63) der Staat ist in ihm, wie Bossuet sagt.64)

prop. 4.

Freilich wird nun diese schrankenlose Autorität, die nach Bossuet höchstens der

57) les rois

48) faire la police en Europe nennt es Rousset. 49) St. Simon, par. 332. cf. Chéruel, adm. II 384. 50) die Eure nach Versailles. Rousset III 384. 51) Turenne schreibt, choses que l'on croit aisées, si le roi les ordonne, qui sont néanmoins impossibles (Rousset I 403). Freilich kann der König doch nicht alles, il peut prendre des villes en hiver, mais non pas faire sortir des oranges de leurs serres, schreibt einmal Foucault. 52) Bossuet, politique. 1. IV. prop. 8 »invincible«. 53) a. a. O. prop. 2. 54) a. a. O. .55) a a. O. 1. VI. art. 11. prop. 2 56) Das sagt auch Louis XIV.: »la tranquillité des sujets ne se trouve qu'en l'obéissance. il y a toujours plus de mal pour le public à contrôler qu'à supporter même le mauvais gouvernement des rois dont Dieu seul est le juge (œuvres 1. 56). sont seigneurs absolus et ont naturellement la disposition pleine et libre de tous les biens tant des séculiers que des ecclésiastiques (œuvres II 121). 58) Dareste, hist. adm II 354. 59) cf. Tallement, historiettes VII nach d'Avenel. Ein Parlamentsrat sagt: je trouve les maximes tout changées, j'ai entendu dire, que nos biens ne sont point au roi. 60) So, wenn ein arrêt du conseil allen Grund und Boden, der früher zu Befestigungswerken gedient hat, für Eigentum des Königs erklärt. Isambert 19. 24. 61) Ein Intendant schreibt: tout ce que j'ai au monde, vie et biens sont entièrement au service du roi (Boislisle I 672). 62) Chéruel, II c. 6. 63) fausse imagination d'un prétendu intérêt du peuple opposé à celui du prince, sans considérer, que ces deux intérêts ne sont qu'un (Louis XIV. œuvres I. 56). 64) tout l'état est en lui, polit. 1. V.

Kirche gegenüber Grenzen hat, dem König in der Voraussetzung zugestanden, dass er für das öffentliche Wohl sorgt und die Bedürfnisse des Volkes befriedigt. Bossuet und Ludwig selbst haben schöne Worte darüber gesagt, wie schwer das metier des Königs sei, wie er sich anstrengen müsse, wie er sich selbst beherrschen müsse u. dgl. mehr.65) Doch das sind Worte. Thatsächlich regierte Ludwig nur für sich Die Regierung ist sich Selbstzweck.66) Auch die sittlichen Schranken, auf die als Gebote Gottes Bossuet den König verweist, haben für Ludwig keine Bedeutung gehabt. Wie Kaiser Claudius das Gesetz aufheben liefs, das ihm verbot, seine Nichte zu heiraten, 67) erklärte Louis seine Bastarde für legitim und versuchte in den letzten Jahren seines Lebens sogar ihnen die eventuelle Thron folge zu verschaffen. Für Bossuet aber ist die Möglichkeit kaum denkbar, dafs der König schlecht ist oder auch nur nicht alle Tugenden, die den Herrscher zieren, besitzt. Darin ist er ganz Theologe. Gott wird schon immer gute Könige senden, sollte er wirklich einmal einen schlechten herrschen lassen, so hat er seinen Plan dabei, er will etwa ein Volk für seine Sünden bestrafen oder es zur Erkenntnis seiner Irrtümer bringen. So war Cromwell ein Werkzeug in der Hand Gottes, wie früher Nebukadnezar, um den Königen zu beweisen, wie verderblich die Ketzerei wirkt.68) Darum dürfen die Völker dem Willen Gottes nicht widerstreben, sie dürfen auch Gewaltthaten nur respektvolle Vorstellungen entgegenhalten, höchstens Gebete für die Bekehrung eines ungerechten Herrschers zum Himmel schicken. Allein Gott hat Rechenschaft von ihm zu fordern.

So die Theorie vom unumschränkten Königtum.

Wie war die Wirklichkeit?

Zunächst, wie weit entsprach Ludwig XIV dem Idealbild eines Königs, wie es Bossuet entwirft?

Ludwig besafs eine gewinnende äufsere Erscheinung; er war von natürlicher Grazie in allen seinen Bewegungen. Niemand an seinem Hofe tanzte so elegant, niemand war so geschmackvoll gekleidet, besafs so gute Manieren.69) Nie hörte man ein frivoles Wort aus seinem Munde, seine Höflichkeit gegen die Damen wurde gerühmt. Er sprach wenig, wenn aber, meist richtig und angemessen. Er besafs grofse Ruhe, nie sah man ihn von Leidenschaft hingerissen, stets blieb er Herr seiner selbst. So wufste er der Menge der Höflinge und den fremden Gesandten zu imponieren. Kein König hat seine Rolle so vortrefflich zu spielen gewufst70). Trotzdem sahen schärfer blickende in ihm doch nur einen gewöhnlichen Menschen.") Seine Bildung war in Folge seiner vernachlässigten Erziehung aufserordentlich mangelhaft, seine Unwissenheit selbst gewöhnlicher Dinge setzte zuweilen in Erstaunen. So war seine Religiosität ganz äufserlich,72) von den jansenistischen und quietistischen Streitigkeiten, die die Zeit seiner Regierung erfüllen, verstand er nichts und griff daher oft grade an der ungeeigneten Stelle ein. Die Aufhebung des Edikts von Nantes allerdings ist nicht ganz sein persönliches Werk; er und seine Minister gaben dem Drängen des Klerus, der dabei den gröfsten Teil des französischen Volkes auf seiner Seite hatte, nach. In den

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65) Bossuet, politique. 1. 111 überall; Ludwig in der Vorrede einer ordonnance von 1667 »comme l'amour paternel que nous avons pour nos sujets nous fait porter nos soins partout etc (Isambert XVII 370). 66) elle se fait son propre object, sa propre fin, son Dieu (Sorel 1 197) 67) nihil domi impudicum, nisi dominationi expediret (Tacitus, ann. XII 7).

68) In der oraison funèbre für Henriette v. England. 70) s'il n'a pas été le plus grand Roi, on

69) St. Simon mémoires XII, parallèle 12 | Orléans CVII 367. peut dire au moins que jamais personne n'a représenté sur le Trône avec plus de Majesté (Bolingbroke 14.) 71) Spanheim bei Dohm III p. 173; St. Simon par. 216. 72) Orléans CIII p. 247.

politischen Angelegenheiten erlangte er allmählich eine gewisse Routine, aber doch waren ihm die inneren Verhältnisse des eigenen wie fremder Länder nur ungenügend bekannt, in England und Spanien hat er deshalb bittere Erfahrungen machen müssen. Trotz alledem hatte der König eine hohe Meinung von seinen Gaben. Wir sahen, wie weit seine naive Selbstvergötterung ging. So hatte er denn einzig für seine Person und seine Gröfse wahrhaftes Interesse. Menschen, die ihm sehr nahe standen, mufsten unter seiner Rücksichtslosigkeit leiden.73) An der Liebe des Volkes lag ihm nie etwas,74) wenn es ihn als Herrn fürchtete und Steuern zahlte, war es ihm genug. Noch in seinen letzten Lebensjahren, als das Elend des Volkes den höchsten Grad erreicht hatte und auch ihm allmählich bekannt geworden war, mufste der Generalcontroleur 4 Millionen livres für kostspielige Hoffeste schaffen.75) Glaubte er doch, wenn er verschwendete, seinem Volk Almosen zu spenden.76) Das war der König, von dem Bossuet Heiligkeit und fast göttliche Weisheit verlangte. Wir haben nun noch von der Macht des Königs zu sprechen. War er so allmächtig, wie er, seine Zeitgenossen und der gröfste Teil der nachlebenden glaubte? Bevor wir die Wirksamkeit der Königlichen Gewalt im einzelnen ansehen, müssen wir aber von einem Gebrauch sprechen, der in einem Hauptpunkt den Willen des Königs lahm legte und eine Entäufserung der Souveränetät bedeutete.77) Das war die Käuflichkeit der Ämter. Man unterschied damals in Frankreich hauptsächlich zwei Arten von Ämtern, offices und commissions.78) Die, welche ein office hatten, waren lebenslänglich angestellt und unabsetzbar, nur wegen ganz grober Vergehen im Amte konnte ihnen ihr Amt durch Richterspruch entzogen werden. Doch kam das selten vor. Die commissions dagegen waren jederzeit widerruflich. Nun bestand der gröfste Teil der Ämter aus offices, die meist käuflich waren. Ein für das Amt qualificierter Bewerber 79) musste eine den Einkünften des Amtes und den damit verbundenen Vorteilen entsprechende Summe an den Staatsschatz zahlen. Dafür bekam man ein königliches Patent, eine lettre de provision, die auch noch wieder Gebühren kostete.80) Diese lettre de provision enthält die feierliche Zusicherung aller mit dem Amt verbundenen Einkünfte, oft auch die, dafs man das Amt nicht wieder aufheben wolle. In einzelnen Fällen wurde ein solches remboursement«, d. h. Aufhebung des Amtes gegen Erstattung der Kaufsumme, ausdrücklich vorbehalten. Vielfach aber war man noch weiter gegangen und hatte gegen entsprechend höhere Zahlung und eine jährliche Abgabe den völligen Besitz des Amtes zugestanden. Der Besitzer konnte das Amt vererben, vertauschen, verkaufen, verschenken, doch nur an einen qualificierten Bewerber. Kurz, das Amt war wirkliches Eigentum.81) Der Reichtum einer grofsen Anzahl von Familien bestand im Besitz von Ämtern.82)

73) Seine rohen Worte über die Herzogin v. Bourgogne (St. Simon). nimmt auf Krankheit der Maintenon keine Rücksicht (Geffroy, introd. 45). Mistrauen gegen Bruder (Cosnac I 303). Sohn gegenüber mehr König als Vater (Floquet, Bossuet éd. p. 12), sein Benehmen vor dem Tod seiner Mutter, (mém. de Brienne I. 115). 74) plus porté à se faire considérer de ses peuples en maître qu'en père (Spanh.) 75) Horn, p. 22. 78) Domat t. II.

76) Lemontey 428.

livre II. titre I.

77) une aliénatio n de la souveraineté (Lemontey 402).

79) Man übersieht das häufig! Für viele Stellungen war die Qualifikation genau geregelt; bei anderen wurde nur bon sens, éclairé de la science des lois et des ordonnances verlangt (Domat a. a. O. titre ill. IX). 80) Jedesmal für die frais du sceau 40 livres bei höheren, 20 bei niederen 81) Man konnte Hypotheken auf ein solches Amt aufnehmen. 1706 wurde ein eigenes Amt für conservation des hypothèques sur les offices errichtet (Schaeffner II 320). einem Edikt von 1683 ausgesprochen (Isambert 19. 417).

Beamten (Isambert 19 p. 5).

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82) In

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