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entführt und alle Hirten und Ziegen und der ganze Apparat der Schäferpoesie werden aufgeboten, um mit dem böslich Verlassenen zu weinen - wird sicher nicht bloss der göttliche Dichter gefeiert, zu dem "die Liebe diesem Kollegen stündlich wächst wie im Frühling die Sprossen der Bäume," sondern auch der Vertrauensmann des Machthabers, dem der verarmte Mantuaner sich zu Gnaden empfiehlt. Dies Gedicht ist einige Jahre vor der actischen Schlacht geschrieben. Nachdem dann Gallus den Entscheidungskrieg mit Auszeichnung mitgemacht und das wichtigste unter den persönlich vom Kaiser zu vergebenden Aemtern erfolgreich verwaltet hatte, muss er eine Stellung eingenommen haben, die ihm eine grosse Zukunft versprach. Dass er Lebemann und Litterat war, empfahl ihn an diesem Hof nur weiter. Während die immer noch mächtige Opposition der alten republikanischen Aristokratie im Senat ihre Vorherrschaft behauptete, bildete sich um den neuen Machthaber ein Kreis vom Senat von rechtswegen ausgeschlossener, aber für den unmittelbaren Dienst des Herrschers ausschliesslich verwendeter Männer, meistens von geringer Herkunft und Kreaturen des Monarchen, im Rechtssinn amtlos, aber tatsächlich bei dem Regiment ernstlicher als die alte Magistratur beteiligt - zu diesem Kreis hat mit Mæcenas, Proculeius und anderen römischen Rittern auch Gallus gehört.

Ueber seine Katastrophe sind wir so schlecht unterrichtet wie im Allgemeinen über die Vorgänge der augustischen Zeit. Nur eines ist deutlich durch die Gunst des Hofes war er emporgekommen und er endigte, wie Günstlinge zu endigen pflegen, durch den Umschlag in der Stimmung des Herrschers. Wenn man seinen Dichterkollegen Glauben schenken darf, so waren die Ursache seines Sturzes schlimme Reden, die er in der Weinlaune gegen den Kaiser ausgestossen hatte und die dieser, als sie ihm von guten Freunden des Gallus zugetragen wurden, nicht verzieh, vielleicht nicht verzeihen konnte; auch andere Andeutungen sprechen dafür, dass nicht Missetaten des Gallus, sondern persönliche Verletzungen des Herrschers den Bruch herbeigeführt haben. Eine eigentliche Strafe hat Augustus über ihn nicht verhängt, sondern ihm nur sein Haus verboten, wie dies bei dem Bruch der Freundschaft üblich

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von

war." Aber dabei ist es nicht geblieben. Der kaiserlichen Absage folgte eine förmliche Criminalanklage vor dem Senat, nicht auf Veranlassung des Kaisers, aber auch nicht ihm verhindert. Gallus Verhalten in Aegypten, Anmassung kaiserlicher Vorrechte und Unterschleif der Kriegsbeute sind dabei wenigstens mit zur Sprache gekommen. Dass der gestürzte Favorit, schuldig oder nicht, von der den Senat beherrschenden Aristokratie bereitwillig verurteilt ward, ist begreiflich; sein Vermögen wurde confiscirt und auf Verbannung erkannt. Der stolze Mann ertrug das nicht; er stürzte sich in das Schwert, das er tapfer geführt hatte. Augustus hatte dies nicht gewollt; es mag wol richtig sein, was erzählt wird, dass er sein Schicksal beklagt habe, mit einem Freund nicht brechen zu können, ohne ihn zugleich zu verderben.

Weder als Krieger noch als Poet hat Gaius Cornelius Gallus Anspruch auf eigentlichen Nachruhm. Aber zu den gemeinen Figuren dieser bewegten Zeit gehört er nicht; und wenn auch an ihm das Wort sich bewährt hat, dass die Musen nicht verstehen den Menschen zu leiten, eine wenn gleich nicht besonders vornehme Muse hat ihn begleitet und ihm ein gewisses Andenken gesichert, das selbst einen renommistischen Schlachtbericht wird aushalten können.

THEODOR MOMMSEN.

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Dass dem Gallus auch untersagt wurde, die kaiserlichen Provinzen zu betreten, ist davon nur die Folge; denn in diesen steht das Bodeneigentum dem Kaiser zu und rechtlich ist insoweit kein Unterschied zwischen der kaiserlichen Villa in Antium und den Provinzen Syrien und Germanien.

SCANDINAVISCHE DICHTER.

VON allen skandinavischen Dichtern der letzten Jahre ist am überraschendsten Peter Nansen in der deutschen Litteraturwelt bekannt geworden. Vortreffliche Uebersetzungen brachten rasch hintereinander drei der Werke, die ihn in seiner dänischen Heimat bereits berühmt gemacht hatten: "Eine glückliche Ehe," "Julies Tagebuch, Roman," "Maria, ein Buch der Liebe"; dann, gleichzeitig mit der dänischen OriginalAusgabe, das vierte Werk: "Gottesfriede," und vervollständigten soeben diese Sammlung durch den früher geschriebenen Roman in Briefen: "Aus dem ersten Universitätsjahre."

Als ich "Eine glückliche Ehe" und "Julies Tagebuch ” las, empfing ich den Eindruck von etwas in seiner Art ganz Voilendetem, und das will um so mehr sagen, als die Süjets, die Nansen in seinen Büchern verarbeitet, uns von der jüngeren französischen Litteratur und teilweise auch schon von der Deutschen her bis zum Ueberdruss vertraut sind; stofflich fehlt ihnen jeder Reiz der Neuheit, und es muss ein sehr ursprüngliches und unmittelbares Talent sein, dem es gelingt, sie als neu erscheinen zu lassen. Es ist die Welt des ästhetisch raffinirten Viveurs, des sensitiven Genussmenschen und Lebemannes, die Welt der Grisetten, der verführten kleinen Mädchen und der lebenslustigen Ehefrauen, die Nansen uns vorführt, und die uns in der Gesellschaft der zeitgenössischen Franzosen, von denen ja das moderne Kopenhagen stark seinen geistigen Stempel erhält, bereits zu langweilen anfängt. Nansen ahmt eben nicht den Franzosen nach, wie ihm mit Unrecht vorgeworfen worden ist, sondern vereinigt in seiner eignen dichterischen Individualität eine glückliche Mischung von litterarischen Vorzügen romanischen

und germanischen Charakters; in ihm verbindet sich unwillkürlich die feinfühlige Grazie der erotischen Schilderung mit einer hohen künstlerischen Ergriffenheit, die Alles, selbst jeden Einzelteil einer frivol prickelnden Scene, dem streng künstlerischen Endzweck untertan macht. Ich glaube, darauf beruht die eigentümliche Suggestionskraft, mit der er uns in den Bann seiner Stoffe zwingt, bis wir sie rein geniessend,sozusagen standpunktlos, gleich weit entfernt von Entrüstung wie von Lüsternheit, in uns aufnehmen. Eine ähnliche Wirkung habe ich fast nur noch in einigen besten Arbeiten des jungen Oesterreichs gefunden, dem Nansen in seiner geistigen Veranlagung am nächsten steht. Sicherlich würde in der "glücklichen Ehe "-dieser Ehe zu Dreien, mit zeitweiligem Wechsel des Dritten, die leichtsinnige Frau Nancy. nur sehr geringen künstlerischen Genuss wecken, wenn wir sie in einem französischen Roman oder in dessen deutscher Nachahmung vorgesetzt bekämen; bei Nansen jedoch, wo Alles in eine Sphäre so freier Anmut, so feiner Ironie erhoben ist, dass jeder Zug sich in spielende Heiterkeit auflöst, können wir nicht umhin, seine Freude an diesem koketten Frauenköpfchen zu teilen, als wäre es ein Bild, dem wir mit Entzücken unter den graziösesten Watteaus einer Galerie begegnen. Wir begreifen auch, dass die männliche Hauptperson, die bei Nansen stets dieselbe ist, und hier Ministerialrat Jermer heisst, sich in eine Frau Nancy verlieben muss, der die Treulosigkeit so unschuldig zu Gesicht steht, als gäbe es gar kein so hässliches Wort auf der Welt, und die so geschickt und beglückend unter den Männern dahin wandelt, wie: "eine Hebe mit dem Labetrunk zwischen den dürstenden Göttern." Obgleich der arme Jermer von ihr zu Gunsten eines Andern abgesetzt wird, ist doch die Liebesart dieser Frau seinem eignen Temperament am verwandtesten, diese Liebe ohne Wurzeln noch Frucht, die einer zartduftenden abgeschnittenen Obstblüte im Kelchglas gleicht. Man sieht voraus, dass er Frau Nancy länger treu bleiben würde, als der armen kleinen Tagebuch-Julie, deren "heftige, junge, starke Liebe" gar zu schnell die seine "müde läuft." Zwar beginnt auch "Julies Tagebuch" mit dem blossen Liebesspiel, dem tändelnden, belustigenden, aber für das junge Ding, das im engbürgerlichen Haushalt ihrer Eltern

so sonnenlos dahingelebt hat, wie "eine Kalla im Hinterzimmer," erwächst daraus die grosse, tiefe, ihr ganzes Herz ausfüllende und umwandelnde Leidenschaft ihres Lebens,und damit ist ihr auch schon das tragische Ende gewiss.

Es ist eine Gretchentragödie im modernen Gewande, so einfach und lieb im Ton, als habe wirklich eine kleine, magere, zaudernde Mädchenhand sie niedergeschrieben, und von einer Echtheit und Knappheit der indirekten Charakteristik, die ihres Gleichen sucht. Es ist unmöglich, ohne tiefe Rührung dies Tagebuch zu lesen, in dem auch der Nansensche Typus des Liebhabers, diesmal ist es ein Schauspieler Namens Alfred Mörk, zum Greifen lebendig getroffen ist. Grade deshalb so lebendig, weil Nansen ihn weder weisszubrennen Sucht noch auch ihn verurteilt; er steht vor uns als ein Mann, der von sich selbst nicht besonders eingenommen ist, sich aber-mehr aus Indolenz als aus überlegner Eigenliebe-das Recht gibt, zu sein wie er ist, und sich dafür achselzuckend, mit einem schwachen Lächeln, entschuldigt. Es ist der Genussmensch, der die Liebe ausschliesslich vom sexuellen Standpunkt, zugleich aber auch nur künstlerisch veredelt ertragen kann, allen starken, volltönenden seelischen Emotionen aus dem Wege geht, weil sie seiner empfindlichen Seele als ebenso viele Brutalitäten des Lebens erscheinen,-- der jedoch seinen Mangel an Treue und ernsterer Hingebung durch eine bestechende Eigenschaft gut zu machen weiss, nämlich durch die unbedingteste Ehrlichkeit, die keine grossen Worte in den Mund nimmt und mit einem gewissen schamhaften Selbstmisstrauen das eigne Gemütsleben verhüllt," Die Worte, die Du nicht sagtest, die haben mich erobert," schreibt Julie ihm. In "Maria" wird uns erzählt, wie endlich auch ihm seine Stunde schlägt, und er, des Flatterns und Naschens müde, sich von einem starken Gefühl greifen lässt; mit Hilfe der Maria gelingt es ihm anscheinend,— anfangs allerdings noch ein bischen mühselig, "von Vielen zu Einer" zu gelangen. Die Freude über diesen unerwarteten Erfolg äussert sich in der beinahe hymnenartigen Form des Buches, die mit dessen reichlich pikantem Inhalt etwas humoristisch kontrastirt. Ich fürchte, der Humor ist nicht immer gewollt und nicht so künstlerisch bedingt, wie die zarte Ironie der vorigen Werke, Denn wo die ernste Stimmung wirklich

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