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gehalten vor seinem Geschmack, sind maassgebend geworden für zahlreiche Haus- und Volksbibliotheken. Und nicht besser wusste der gelehrte Grazer Universitätsprofessor für den Anteil zu danken, der seinen Winken blühte, als durch gewissenhafte Ueberarbeitung und beständige Erweiterung seines mittlerweile selbst zum Hausbuch gewordenen Werkes. Wie er der vierten Auflage einen Essay über Ibsen - vielleicht den besten in deutscher Zunge- beigab, bereicherte er nun die fünfte durch eine Studie über Emerson, dem er sich als Führer und Meister verpflichtet fühlt. In beiden Aufsätzen lehrt und bewährt Schönbach die Kunst des Lesens, jenes Lesens, das zur echten Selbstbildung führt. In weiteren sorgfältigen Abhandlungen über die neue deutsche Dichtung und den Realismus beschenkt uns Schönbach mit der besten wenn nicht gar der einzig bemerkenswerten - - Geschichte der neuesten deutschen Litteratur von Goethes bis auf Gottfried Kellers Tod. Dabei riecht das auf streng wissenschaftlichen Studien beruhende Buch nirgends nach der Lampe. In Schönbachs reiner, schmuckloser Prosa ist es das Muster einer deutschen Volksschrift, ein wahres Weihnachtsbuch.

ANTON BETTELHEIM.

POLITISCHES

IN DEUTSCHER BELEUCHTUNG.

'ALLIANCE "—"LIEN PRÉCIEUX."

DER Czar hat in Frankreich das Wort "alliance" zur Bezeichnung der Beziehungen zwischen Russland und Frankreich nicht gebraucht, statt dessen wählte er die Worte "lien précieux" bei seinem Toaste in Châlons, und das Journal des Débats fordert bei Besprechung dieses Toastes die Sprachkundigen auf, einen sachlichen Unterschied zwischen der einen Wendung und der andern Wendung zu ermitteln. Das angesehene französische Blatt behauptet, ein solcher Unterschied bestehe nicht, und es folgert demgemäss : "L'alliance franco-russe est un fait désormais indéniable."

Zwischen "alliance" und "lien précieux" besteht sicherlich ein Unterschied, und wenn man statt des unmittelbar sich bietenden knappen und klaren Wortes "alliance" die vagere Wendung "lien précieux" in entscheidender Stunde wählt, so hat das zweifellos seinen sehr guten Grund. Aber wir in Deutschland legen auf diesen Unterschied, der augenscheinlich vorhanden ist, gar keinen Wert, wir rechnen seit langem mit der Tatsache, und unsere Politik ist seit langem darauf eingerichtet, dass Frankreich und Russland enge und feste Bande, die wol im gegebenen Augenblick den Charakter einer Allianz annehmen werden, verbinden.

Dieser Posten ist seit fast zwei Jahrzehnten ein Faktor unserer politischen Rechnung gewesen, und ob man nun von einer Allianz nicht gesprochen hat in Rücksicht auf die inneren Verhältnisse Frankreichs, ob man das Wort vermied um der französischen Volksvertretung die Möglichkeit einer parlamentarischen Besprechung des internationalen Ueberein

kommens zu rauben-denn die Kammer hätte das Recht, die Vorlage eines Allianz-Vertrages zu verlangen-; über alles dies brauchen wir uns in Deutschland den Kopf nicht zu zerbrechen, und zerbrechen wir uns nicht den Kopf, weil wir die Behauptung des Journal des Débats jedenfalls hinzunehmen bereit sind. Auch nicht einmal die Frage über den Inhalt und Charakter der Vereinbarung zwischen Russland und Frankreich legt sich wie eine "Beklemmung" auf die deutsche Brust. Würde Deutschland gegen seine Nachbaren aggressive Absichten hegen, so müssten wir mit der Tatsache rechnen, dass wir einen Krieg mit zwei Fronten zu führen hätten. Einen solchen Plan hegt Niemand in Deutschland. Einem Angriff auf uns von zwei Seiten glauben wir durch unsere eigene Stärke und durch die Tripel-Allianz gewachsen zu sein.

Aber sind wir schon auf eine solche Möglichkeit als vorsichtige Leute vorbereitet, so glauben wir doch durchaus nicht an sie, und zwar aus Gründen, die stichhaltig genug sind.

Zwischen uns und Russland besteht kein Interessengegensatz, der nur durch einen Krieg von ungeheurer Schwere ausgeglichen werden könnte; und Russland hat kein Interesse, für die ausschliesslich französischen Wünsche in Beziehung, auf Elsass-Lothringen unbegrenzten Gefahren sich auszusetzen. Dass Russland eine Politik solcher Abenteuerlichkeit zu treiben geneigt ist, dafür fehlt jedes Anzeichen, und dagegen spricht durchaus der vorsichtige Charakter des jetzigen Czaren.

So ziehen wir denn freilich aus Vorsorge auch alle anderen Möglichkeiten in den Kreis unserer Berechnung und sind auch auf diese eingerichtet; aber wir glauben in der Tat, dass die französich-russischen Beziehungen eine aggressive Tendenz gegen Deutschland durchaus nicht enthalten.

Soweit ich blicken kann, gibt es denn auch kein einziges russisches Blatt, das den Aufenthalt des Czaren in Frankreich benutzt hätte, um wie in früherer Zeit Hass gegen Deutschland zu predigen. Die russische Presse aber macht jene Politik die von Petersburg aus für zweckmässig erachtet wird, und gerade auf Russlands Haltung kommt es uns in Deutschland an

In Beziehung auf unseren Gegensatz zu Frankreich ist das Czarenreich entweder der kräftige Hemmschuh, der das Gefährt vor dem Abgrund zum sichern Halten bringt, oder

die Peitsche, die das Gespann schon durch eine leichte Aufmunterung zum Abgrund hin treiben kann. Hätte auch der Czar nicht nochmals in Deutschland Aufenthalt genommen und eine Familienzusammenkunft mit dem deutschen Kaiser gehabt, und hätte auch Herr Schischkin nicht nach den Unterredungen in Paris in Berlin sich gleichfalls mit unseren Staatsmännern besprochen, wir wären doch überzeugt, dass Russland zur Zeit seine Aufgabe nur darin sieht, als Hemmschuh für Frankreichs elsass-lothringische Leidenschaften, soweit es nötig sein sollte, zu dienen.

Auch unsere offiziöse Norddeutsche Allgemeine Zeitung sprach die Ueberzeugung aus, dass die Ereignisse in Frankreich den Frieden nicht bedrohen.

Es ist nun bezeichnend, dass dieses ruhige Urteil in Russland allgemein Befriedigung hervorgerufen hat.

Es ist durchaus nicht anzunehmen, dass man in den einsichtigen französischen Kreisen die Sachlage anders beurteilt oder auch nur anders beurteilt haben will. Zeugnis dessen ist ein bemerkenswerter Artikel des Pariser Temps, in dem es heisst :

Chacun sait bien l'immense service que l'entente franco-russe a rendu à la cause de la sécurité générale en faisant que la paix ne dépende plus seulement de la volonté, même parfaitement droite, et des intentions, même irréprochables, d'un seul souverain et qu'elle repose, au contraire, sur un système de contrepoids et de mutuelles limitations.

On commence même à comprendre de certains côtés que c'est une nouvelle garantie pour l'ordre et l'harmonie du continent que d'avoir enlevé à la France le sentiment trop naturel et trop légitime d'un isolement qui la livrait en quelque sorte en proie-comme on a failli le voir en 1875— aux entreprises sans scrupules du premier homme d'Etat de l'école du réalisme bismarckien.

In der Tat, man begreift die leidenschaftliche Begeisterung der französischen Nation bei dem Czarenbesuch, wenn man obige Zeilen liest.

Sowenig gerechtfertigt uns auch die französische Furcht vor einer plötzlichen Vergewaltigung durch Deutschland erscheint, so kann man doch nachempfinden, dass eine grosse und stolze Nation erst dann ihre ruhige Sicherheit wiedergewonnen zu haben glaubt, wenn für den Frieden nicht mehr der gute Wille des Gegners, sondern zugleich die allgemeine europäische Kräfteverteilung eine Bürgschaft bietet. Solches Bewusstsein

brachte Frankreich beim Czarenbesuche ein befreites freudiges Aufatmen, das zu einem Jauchzen für jenen wurde, der als Spender der Woltat zu gelten hat. Diese Grundstimmung beherrschte gewiss das französische Volk in den durchlebten Freudentagen.

Aber die Franzosen sind zu beweglich und mit ihrer entzündlichen Phantasie zu begehrlich, als dass sie nicht in dem Augenblick, da sie eine Frucht genossen haben, auch sogleich nach einer zweiten und dritten ausschauen und verlangend den Arm ausstrecken sollten.

War das erste Gefühl das der politischen Sicherheit, die nicht mehr durch den guten Willen und die Friedensliebe der anderen Staaten, sondern durch die Freundschaft Russlands gewährleistet ist, so gesellte sich unmittelbar hinzu das selbstbewusste Gefühl der politischen Kraft, die man nunmehr gemeinsam mit dem Czarenreiche darstellt, und mit einem Stosse weiter war die Frage da: wie soll diese Kraft Verwertung finden? Sagten die einen: "Au service de la justice, du progrès et de la paix," so sagten die anderen leidenschaftlich: "Zur endgiltigen Regelung der ägyptischen Frage oder zur Ausbreitung französischen Einflusses im äussersten Osten Asiens oder zur Wiedererlangung von Elsass-Lothringen,” und viele sind jedenfalls der Ansicht, dass alle diese Ernten demnächst einmal geschnitten werden müssen und können, wenngleich man über die Reihenfolge, in der sie einzuheimsen sind, sich noch im Zweifel befinden mag.

Nicht in besonderen Vereinbarungen zwischen Russland und Frankreich, wol aber in der Entfachung dieser Stimmungen bei der leicht entzündlichen französischen Bevölkerung, sehen wir die politische Bedeutung des Czarenbesuches. Und diese Bedeutung ist bei dem Naturell der Franzosen keine geringe.

Die unmittelbare Wirkung des Czarenbesuches war denn auch, dass eine Reihe französischer Blätter mit einer Offenheit, wie seit langem nicht, den Ruf nach Elsass-Lothringen ertönen liessen. Diese Episode ist schnell vorüber gegangen, wahrscheinlich, weil man eine ungünstige Wirkung auf Russland voraussah, das diese Bahnen mit zubeschreiten keine Veranlassung hat. Auch die orientalische Frage hat nicht die nötige Handhabe; denn es gibt immer neue Anzeichen dafür, dass

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