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und nach durch Beyspiele gewinnen. Das durch, daß man etwas öfters vor den Augen hat, wenn man auch so gar nicht darauf Ucht haben sollte; dadurch bildet man sich unverz merkt nach demjenigen, was man gesehen hat. Die Meister in den Künsten legen uns in ih ren Werken die Züge der schönen Matur dar;

dies

cheln, und Ruhm dadurch erwerben könne. Der Mensch ist nicht nur der Widerspruch des andern, sondern auch sein eigner; er glaubt ist diesem Grundsaße, er hält ihn für so wahr, daß er seine Folgen daraus zieht; und viels leicht in der nächsten Stunde ist der entgegengesezte Grundsaß die Richtschnur seiner Handlungen. Indeffen ist es wahr, daß die schönen Künfte die Sitten des Menschen immer mehr bessern werden, als die philofophischen Erkenntniffe; denn sie fangen bey der Auss bildung der Empfindungen an, von deren Uns ordnung das meiste zu befürchten ist. Die Affecten sind zu lebhafte und feurige Unters thanen, und die Philosophie ist eine zu schläfs rige Regentinn, als daß sie dieselben leicht im Gehorsame sollte erhalten können, wenn sie den Geschmack nicht zu Hülfe nimmt. Warum macht die christliche Religion, dieje nigen bey denen sie Gehör fir.det, um so viel vollkommner, als alle andre Mittel, das Herz zu beffern? Weil ihre Wahrheiten mehr praktisch, als speculativisch sind, weil sie im mer, wenn sie unterrichtet, auch aufs Herz redet, weil sie für die niedrigen Gemüthsbez wegungen, die sie dem Menschen nehmen will, die erhabensten Affecten, die Liebe gegen einen erbarmenden Gott, gegen einen menschens freundlichen Mittler, gegen Miterlöste eins schiebt. Der Uebersetzer.

diejenigen, welche einige Erziehung gehabt haben, billigen sie anfangs; dem Volke selbst fallen fie in die Augen. Man wendet das Muster auf sich an, ohne daran zu denken. Nach und nach läßt man weg, was zu viel ist; was fehlt, seht man hinzu. Die Manieren, die Reden, das äußerliche Bezeigen bessern sich zuerst aus; dann bildet sich auch der Vers stand um. Man will haben, daß die Gedanken, wenn sie sich hervor wagen, richtig, natürlich und geschickt aussehen sollen, die Hochachtung andrer Menschen zu verdienen. Bald darauf unterwirft sich ihnen auch das Herz; man will das Ansehen haben, daß man gutherzig, unverstellt und redlich sey; mit einem Worte, man verlangt, daß jeder Bürger seine guten Sitten gleich beym Eintritte in Ge fellschaften durch einen lebhaften und anmuthigen Ausdruck äußere, der von der Ungeschliffenheit und dem gezwungnen Wesen gleich weit entfernt sey; welches zween Fehler find, die dem Geschmacke in der Gesellschaft eben so sehr zuwider laufen, als in den Künsten. Denn der Geschmack folgt überall einerley Regeln. Er verlangt, daß man alles entferne, was einen verdrießlichen Eindruck machen kann; und hingegen alles zeige, was einen angenehmen Eindruck hervorzubringen vermögend ist. Dieß ist der allgemeine Grundsah. Jedwedem insbesondre kömmt es nunmehr zu, daß er nach dem Maaße seines Ver

standes

standes demselben nachforsche, und praktische Schlüsse daraus ziehe. Je weiter man diez selben treiben wird, desto feiner und weitläuftiger wird der Geschmack seyn.

Wenn man die christliche Religion eben so ausübte, wie man sie glaubt: So würde sie dasjenige in einem Augenblicke ausrichten, was die Künste nur unvollkommen und erst in Jahren, ja manchmal in ganzen Jahrhunderten auszurichten vermögen. Ein vollkomm 'ner Christ ist ein vollkommner Bürger. Er besißt das äußerliche Ansehen der Tugend, weil er ihr Wesen besißt. Er will niemanden schaden, wer derselbe auch seyn mag; er will sich alle Welt verbindlich machen; und er ergreift ernstlich alle nur möglichen Mittel dazu, die auch nicht ohne Wirkung bleiben.

Doch da die meisten Menschen nur mit dem Verstande Christen find: So ist es für die bürgerliche Gesellschaft ein großer Vor theil, daß man ihnen Empfindungen einflößt, die gewissermaaßen die Stelle der christlichen Liebe vertreten. Diese Empfindungen aber werden uns allein durch die Künfte mitges theilt, die, da sie Nachahmerinnen der Natur sind, uns derselben wieder näher bringen, und uns ihre edle Einfalt, ihr offnes Wesen, und ihre Gutthätigkeit, die sich auf eine gleiche Weise über alle Menschen erstreckt, zum Muster vorstellen.

Zehen

Zehentes Capitel.

Bierte und letzte Folgerung; Wie wichtig es sey, daß man den Geschmack bey Zeiten bilde, und wie man ihn eigentlich bilden sollte.

er Mensch kann hier nur in so fern glücklich seyn, als sein Geschmack seiner Vernunft gemäß ist. Ein Herz, das sich gegen die Einsichten des Verstandes empört, cin Verstand, der die Bewegungen des Herzens verdammt, müssen ganz nothwendig einen ins nerlichen Krieg erregen, der alle Augenblicke des Lebens verbittert. Wenn man die Ein: tracht dieser beiden Theile unfrer Seele fest gründen wollte; so würde man für die Bildung des Geschmacks * eben so viel Sorgfalt tragen müssen, als für die Bildung des Vers standes. Ja, da dieser selten seine Rechte vers liert, und sich fast allezeit vernehmlich genug ausdrückt, wenn man auch auf seine Stim

me

*Wir nehmen hier den Geschmack in eben dem Verstande, als in dem vorhergehenden Capi tel, das ist, in feinem weitläuftigen Umfans ge; und verstehen darunter eine Empfindung, die uns demjenigen, was uns gut dunkt, zus neigt, und von demjenigen, was uns schlimm vorkommt, abneigt. In diesem Verstande fann fie in ihrem Anfange Geschmack, in ihs rem Fortgange Leidenschaft, und in ihren Ausschweifungen Raserey oder Thorheit ges nannt werden.

me nicht hört: So scheint es, als ob der Ges schmack unsre Sorgfalt zuvörderft und am meisten verdiente; und das um so vielmehr, da er der Verderbniß am ersten ausgesetzt ist, und sich am leichtesten verderben, am schwersten aber heilen läßt, und endlich in unsre Aufführung den meisten Einfluß hat.

Der Geschmack ist eine Fertigkeit, die Ordnung zu lieben. Er erstreckt sich, wie wir nur kürzlich erinnert haben, über die Sitten eben so wohl, als über die Werke des Wikes. Die Symmetrie der Theile untereinander und mit dem Ganzen ist in der Ausführung einer fittlichen Handlung eben so nothwendig, als in einem Gemälde. Diese Liebe ist eine Tus gend der Seele, welche fich zu allen Gegenstånden neigt, die in einem Verhältnisse mit uns stehen. In Dingen, welche ergeßen, nimmt sie den Namen des Geschmackes an; und behält den Namen der Tugend bey, wenn fie sich mit den Sitten beschäfftigt. Man sieht leicht ein, was es für Folgen haben müßse, wenn dieser Theil der Seele in den zarten Jahren vernachläßigt wird.

Wenn man den Geschmack und die Leis denschaften der Menschen nicht so wohl nach ihrem Gegenstande und den Kräften der Trichfedern, die sie anwenden, dazu zu gelangen, als nach dem Aufruhre, den sie in der Seele an richten, beurtheilte: So würde man sehen, H 2

daß

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