ftre Melancholie getreten; Man lese in der Fabel vom jungen Mädchen folgende Verse: Indem er dieß noch sprach, trat Fickchen selbst` herein, Und trug ein Essen auf. Was, fieng sie an zu schreyn? Was sagten Sie Papa? Sie haben sich verspros Ich sollt erst vierzehn Jahre seyn? Die Hälfte der Anmuth, die aus der Lebhaftigkeit entspringt, würde wegfallen, wenn ich den lehten Vers in einen alexandrinischen vers wandelte, und das junge Mädchen sagen ließe: Nein! Ich bin vierzehn Jahr, und sieben Wo chen alt. Das ist eben in der Fabel der Hauptvortheil, den uns die ungleiche Versart gewährt. Mirs gends åndert sich der Charakter so oft und so jåhling, als in der Fabel; und dieses Sylbenmaaß kann sich allezeit, seiner erlaubten Abwechs felung wegen, in ihn schicken. Doch das Sylbenmaaß kann an sich selbst symmetrisch seyn, und mit dem Charakter des Gedichtes, das darein eingekleidet worden, im Verhältnisse stehen: und dem ohngeachtet rauh und unharmonisch seyn. Es giebt also noch eine dritte Harmonie, bey deren Mangel man fich einzig und allein an den Poeten zu halten hat. * Gellerts Fabeln und Erzählungen 2 V. a. d. hat. Diese beobachtet er, wenn er nicht Wors te mit Gewalt zusammen flößt, die von gleis chen oder zu vielen Consonanten voll sind; wenn fie nicht alle mit verstümmelten Gliedmaaßen neben einander hinhinken; wenn er das natúrs liche Maaß der Sylben nicht verleßt; wenn er dem Accente sein Recht wiederfahren läßt; wenn er nicht Verse ohne Cåsur macht, wo die Glieder stets im Begriffe zu stehen scheinen, daß sie ist aus einander fallen wollen; wenn man ihnen weder die Geschwindigkeit, noch die Mühsamkeit ansieht, mit der sie vers fertigt worden; wenn sie weder lüderlich, noch schwerfällig sind. Durch diese Harmonie uns terscheidet sich vornehmlich der geborne Poet von dem, der sich selbst durch Kunst und Ars beit dazu gemacht hat; sie ist das Leben, das der Maler über sein Gemälde ausgießt, und das sich mehr empfinden, als beschreiben läßt, weil es sich allein von der leichten Hand und der Begeisterung herschreibt, mit der er gearbeitet hat. Man meyne nicht, daß ich hier über ein jes des abgebißnes Eifern, oder eine glückliche Abweichung von den gemeinen prosodischen; Res geln bloß darum verwerfen wollte, weil es eis ne Abweichung ist. Diejenigen, die die ganz ze Harmonie des Verses in diesem so genann ten Fließenden suchen, und die sich ein Ges wissen machen würden, in vollem Anzug, für in vollem Anzuge zu sagen; machen bey aller ihrer ängstlichen Sorgfalt für dieses Flies sende fende oft sehr unharmonische Verse. Wer wird zum Erempel diese Zeilen aus der schwarz zischen Uebersetzung des Virgils für wohlklingend halten? Das Unglückskind, das würde hinter fich Von Pferden, weil er noch den Zügel hielt, beym Haaren Und Nacken mit dem Spieß im Staube fortges fahren Drauf nahm die Königinn den göldnen, voller Befeßten Trinkpokal, füllt ihn wie Bel und die Ihm folgende mit Wein; ein jeder schwieg, und sie Fieng an;s s Und fragt bald dieß, bald das, Vom Hektor, Priamus, Aurorens Sohn, und Für Waffen jener hatt, s Mein Vater fiel mir ein, es kam mir auch ein falter Und banger Schauer an, denn der von gleichem Alter Erschlagne Priamus sah mir erschrecklich aus. Wenn der Poet zuweilen ein Wort, das fich allzulang hindehnt, glücklich abzukürzen weis, ohne daß er es rauh macht, wenn er den Nachdruck des Gedanken dadurch vermehrt, daß er einmal die Worte enger als gewöhnlich zusammenpreßt: So weis ich es ihm eben so sehr Dank, als wenn er die natürliche Worts fügung verändert, um dadurch dem Gedan fen ken eine lebhaftere oder nachdrücklichere Wen- Deß harter Vers den Geist nicht speist, die Oh- O glücklich, wer sein Ohr nicht zärtlich hat gez wöhnet, Vor keinem Wort erschrickt, dem Haupt und Und denket, wie der Britt', und wie der Britte Wer wollte wohl verlangen, daß diese Verz se leichter und wohlklingender seyn sollten? Hieße das nicht von dem Bildhauer verlans gen, daß er die Li wenhaut eines Herkules eben so glatt poliren sollte, als das Gewand einer Venus? Ein Sklave der gewöhnlichen Prosodie wird folgende Verse aus der cramerischen Ode von der Auferstehung nicht vertragen können; So schmolz die Sonn auf jenen Höhen, * N. Beytr. z. Vergnügen d. V. u. W. 3 B. 3 St. ** Ebend. Buchs 3 B. 1 St. a. d. 43 S. *** Verm. Schriften. 1 B. 5 St. a. d. 344 S. Warum? Weil bey den lehtern vier Vers sen eben dieselben Reime, ja fast die ganzen Zeilen, wiederholt werden. Und eben diese Ab weichung war es, welche die größte Schönheit dieser Verse hervorbrachte. Diese Wieder hohlung gab dem Gedanken ein Erhabnes, dessen Majeftåt ein größrer Schmuck mehr verdeckt, als erhöhet haben würde. Eben so würde derjenige, der zu schüchtern ist, auch nur einen Fuß breit von den gewöhnlichen Regeln abzuweichen, auch die Schönheit folgender Verse eben dieses Dichters in der Ode auf die geistliche Beredsamkeit haben entbehren müssen. Gott rief dir: Predige! Du flohest. Was war dir Jonas, daß du floheft? Aber wenn einer, der ein Dichter zu seyn vorgiebt, alle Augenblicke wider die Regeln der Prosodie verstößt, bloß um seinen Vers voll flicken zu können; wenn diese Flecken gez häuft werden; wenn diese kleine Unregel mäßigkeit nicht gleiche Wirkung hat, als eine kleine Warze in einem schönen Gesichte, daß fie die Regelmäßigkeit der andern Züge mehr hebt; wenn er mich für eine kleine unangeneh me Empfindung nicht durch größre Annchmlichkeiten schadlos zu halten weis: So werde ich ihm nicht einmal ein weggelaßnes E übersehen. Es S.Verm. Schriften d. V. d. N. B. 1 B. 3 St. a. d. 198 S. |