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PRAEHISTORISCHE

PARASITOLOGIE NACH TIERBEOBACHTUNGEN

VON

Baron D' FELIX von OEFELE

(BAD NEUENAHR IN RHEINPREUSSEN)

DIE ANFÄNGE DER MEDICIN BEI DEN TIEREN ERHALTEN.

Die Leser der Archives de Parasitologie brauche ich für die Wichtigkeit der Parasitologie nicht erst zu begeistern. Nachdem aber Prof. R. Blanchard diese Archives gegründet hat, halte ich es für sehr zweckmässig hier auch die Materialien für eine zukünftige Geschichte der Parasitologie zusammenzutragen. Prof. R. Blanchard selbst war es, welcher diesen Gedanken zuerst fasste und selbst die erste Arbeit über die Parasitologie der Chinesen und Japaner lieferte. Ich hatte darnach die Ehre mit Studien über die altägyptische Parasitologie in diesen Arbeitsplan eintreten zu dürfen und zwar mit meiner ersten grösseren Arbeit, da sich alle meine vorausgehenden Veröffentlichungen in kleineren Grenzen gehalten hatten. Ausserdem hoffe ich im Laufe der Jahre noch öfter zur Geschichte der Parasitologie das Wort ergreifen zu dürfen oder Nebenpunkte einzelner Abschnitte dieser Geschichte zu der Bearbeitung von Forschungsgenossen beisteuern zu koennen.

Die Frage ist es hier aber, ob die Geschichte der Parasitologie im Rahmen der Geschichte der Medicin und der Zoologie Beachtung verdient. Dafür möchte ich auf die Medicin des Urmenschen zurückgreifen. « Wenn sich nach Puschmann (1) bei den Urmenschen Katarrhe, Entzündungen innerer Organe und langes Siechtum entwickelten, so stand man dieser Thatsache rat-und hilflos gegenüber...... Wir besitzen aus jener Periode nur wenige Dokumente über die Heilkunst, aber sie zeichnen ein deutlicheres Bild der pathologischen Vorgänge, als es Worte vermögen es sind die Schriftzüge, welche die Krankheiten und Verletzungen auf den (1) Handbuch der Geschichte der Medicin. Jena, 1901, p. 3.

praehistorischen Knochen zurückgelassen haben. Wir sehen Knochenbrüche, deren Heilung wahrscheinlich durch Ruhe und dauernde Festlagerung der gebrochenen Glieder bewirkt wurde, Gelenkentzündungen mit Verdickungen und Wucherungen der Knochensubstanz, Verkrümmungen der Knochen, die durch Rhachitis hervorgerufen wurden und krankhafte Veränderungen, welche auf Lues hindeuten. >>

Nach Bartels (1) « ist die Ausübung ärztlicher Hülfe wahrscheinlich so alt, wie die Menschheit selbst; und wenn wir von einer Geschichte der Heilkunde sprechen wollen, so haben wir ihre allerersten Anfänge in der Kindheit des Menschengeschlechtes zu suchen..... Wie auf anderen Gebieten der Kulturgeschichte, ist es auch hier das Studium dessen, was die Naturvölker thun, das uns das rechte Verständnis giebt. >>

Unser ältester lebende Medicohistoriker Baas (2) spricht von einer «Praehistorie der Medicin, welche ohne Zwang noch durch die Kentnis zahlreicher Erscheinungen beginnender medicinischer Cultur bei den vor nicht allzu langer Zeit oder selbst heute noch thatsächlich in ihrer praehistorischen Entwicklungsperiode lebenben Naturvölkern ergänzt werden koennen. »

Wer dies voll und ganz unterschreibt, muss an den Anfang einer Geschichte der Parasitologie die Parasitologie der heutigen Naturvölker für die Parasitologie der Urmenschen substituieren.

Bartels (3) giebt hier aber schon selbst die schwerwiegendsten Einwürfe. »Wir dürfen nicht ohne weiteres alles, was wir in der Medicin der Naturvölker oder in der Voiksmedicin antreffen als ein wahrhaftes Spiegelbild dessen betrachten, was in der Urzeit der Medicin vorgenommen wurde. In der Volksmedicin findet sich mancherlei, was sich bei genauerer Betrachtung als ein Überrest alter Magistralmedicin erkennen lässt...... Andererseits giebt es unter den heutigen Naturvölkern einige, welche in längst vergangener Zeit eine hohe Kultur besassen, die aber allmählich immer mehr in rohe Verhältnisse herabgesunken sind. Von ihrem früheren Koennen jedoch, namentlich auf medicinischem Gebiete, haben

(1) Loco citato, p. 10.

(2) Die geschichtliche Entwicklung des ärztlichen Standes. Berlin, 1896, p. 2. (3) Handbuch der Geschichte der Medicin. Jena, 1901, p. 11.

sie einiges hinübergerettet, das ihr kultureller Verfall nicht zu vernichten vermochte. >>

Diesen Gesichtspunkten Bartels möchte ich einen weiteren Punkt anfügen. Die Leser werden aus der mittelniederdeutschen Parasitologie ersehen haben, wie sehr Völker mit relativ niederer oder erst beginnender Cultur von Völkern höherer oder älterer Cultur medicinische Kentnisse und Ansichten zu entlehnen geneigt sind. Es wird dieser Art von den fernsten Zeiten und Gegenden die therapeutische Ausgeburt von physiologischen Theoremen, welche für unsere Anschauungen wahnwitzig erscheinen, nach anderen Zeiten und Gegenden verschleppt. Was bisher an Belegen in dieser Richtung beigebracht wurde, will ich hier und kann ich hier nicht ausführlich wiedergeben. Nun giebt es aber kein Naturvolk, welches nicht direkt oder indirekt mit halbcivilisierten Völkern und durch eine weitere Kette indirekt mit den Culturvölkern in Beziehungen stand, bevor der Europaeer in die Lage kam, dies Naturvolk ethnographisch und zwar vor allem auch in Bezug auf seine medicinischen Anschauungen und Kentnisee zu studieren. Die Sicherheit ein richtiges Bild der Urmedicin reconstruieren zu koennen wird wenigstens für diesen Weg sehr gering. Derjenige Weg, welchen ich einschlagen möchte, wird aber bisher von anderer Seite direkt geläugnet, obwohl ich glaube, dass nach meiner folgenden Darlegung derselbe allgemein angenommen wird und bei der Selbstverständlichkeit dieses Weges mir irgend ein Verdienst dafür gar nicht zuerkannt wird. So habe ich in anderer Richtung die erweisbaren Importe von Medicinaldrogen bei bekannten Culturvölkern zuerst dazu benützt Bausteine für die Erforschung der unbekannten oder weniger bekannten Medicin der exportierenden Länder zu gewinnen. Und heute schon ist dies ein Gemeingut der medicinischen Geschichtsforscher, dessen Entdecker bei der scheinbaren Selbstverständlichkeit dieser Untersuchungsmethode schon vergessen ist.

Die oben erwähnte Läugnung kleidet unser Altmeister Baas (1), von dem ich aber überzengt bin, dass er der erste sein wird, welcher mir aus ganzem Herzen zustimmt, in folgende Worte: « Unter allen Geschöpfen vermag einzig der Mensch selbstthätig sich der

(1) Die geschichtliche Entwicklung des ärztlichen Standes. Berlin, 1896, p. 1.

Krankeiten zu erwehren. Ihm allein stehen in diesem Kampfe noch andere Waffen zu Gebote, als die jedem Lebewesen eingeborenen erhaltenden Lebenskräfte. » Darnach wäre die Aussicht auf die Reconstruction einer einigermassen wahrscheinlichen und wahrheitsgetreuen Medicin der Urmenschen eine sehr geringe.

Ich bin aber im Begriffe mich in Gegensatz zu dem Ausspruche des von mir hoch verehrten Baas zu stellen. Ich frage, was ist das Facit vieltausendjähriger Entwickelung der Medicin im Jahre 1901 in Bezug auf rationelle Therapie. Die Antwort ist 1) das Messer des Chirurgen und 2) der Versuch alle Krankheiten des Internisten auf Schädlinge zurückzuführen, welche dem Organismus fremd als unschuldigere oder gefährlichere Parasiten eingedrungen sind und welche mit mehr oder weniger specifischen Vertilgungsmitteln unschädlich gemacht werden sollen. Die Höhe der Diagnose, soweit dieselbe für rationelle Therapie in Betracht kommt, besteht somit modern fast nur in der Erkentnis, dass nicht nur Schädlinge wie Ascariden und Pediculi Parasiten sind, sondern auch Bacillen, Coccen etc. von ähnlichen Gesichtspunkten aus zu betrachten sind. Die Vorläufer modernster medicinischer Wissenschaft wären nach obigem Satze von Baas höchstens bis an die Grenze von Urmensch und Tier zurückzuverfolgen. Ich behaupte aber, dass der bewusste Versuch sich der Parasiten zu erwehren weit in das Tierreich herein zu verfolgen ist und dass auch eine grosse Reihe von sogenannten instinktiven Handlungen von Tieren ererbte nützliche Handlungen im Kampfe mit den Krankheitserregern sind. Das Tier kann aber nur makroskopische Parasiten erkennen. Dasselbe gilt auch für den Urmenschen.

Ich will hier an ein Wort von Brehm (1) erinnern : « Wer den Vögeln Verstand und zwar sehr ausgebildeten umfangreichen Verstand absprechen will, kennt sie nicht oder will sie nicht kennen. »> Dies ist auch auf andere Tiere auszudehnen. Zu diesem Verstande gehört aber auch die Auswahl und Anwendung zweckdienlicher Handlungen zur Abwehr oder Vernichtung der Parasiten.

Ich verlege darum im Folgenden die Anfänge der praktischen Medicin d. h. der Therapie und Hygiene in das Tierreich. Und zwar sind mir die Anfänge der Medicin jene Handlungen der

(1) Brehms Thierleben. Leipzig, 1882, IV, p. 12.

Tiere, durch welche teils zweckbewusst teils auch nur instinktiv zweckentsprechend Parasiten abgewehrt oder vernichtet werden. Ich steige darum für die Betrachtung der Urmedicin noch unter die Naturvölker, somit unter den Menschen herab und betrachte als Urmedicin darum die Eigenmedicin der Tiere. Die Eigenmedicin der Tiere ist aber der Kampf mit den die Tiere bedrohenden Parasiten, so dass ich als eine Betrachtung der Urmedicin die Handlungen geweckterer Tiere zur Abwehr und Vernichtung der Parasiten zusammenstellen möchte. Meine Zusammenstellung enthält gegenüber dem weiten Rahmen, welchen ich damit der Urmedicin gebe, nur einige vereinzelte Beobachtungen und vielleicht sind die Leser so freundlich mir aufstossendes einschlägiges Material zur Ergänzung meines folgenden schüchternen Versuches. direkt brieflich zuzusenden.

ANTIPARASITISCHE HYGIENE DER DEFAECATION.

Die Tiere schützen sich instinctive vor Parasiten. So beobachtete ich meine Katze bei der Defaecation. Ich hatte in einem cementierten Gange Gartenerde aufschütten lassen und sperrte die Katze als sich Anzeichen bevorstehender Defaecation ergaben in diesen Raum. Wiederholt konnte ich in solchen Fällen beobachten, dass sich die Katze am Rand des Erdhaufen niedersetzte, den Koth entleerte und denselben verscharrte. Sie stellte sich dabei vorsichtig über den Koth und warf mit der linken Vorderpfote Erdreich nach hinten auf den Koth. Von Zeit zu Zeit machte sie einen halben Schritt nach rückwärts und beroch die Stelle. Darnach scharrte sie wieder Erde darauf. Es war deutlich, dass die Katze so lange ein Fortsetzen des Verscharren für nötig hielt bis kein Geruch. mehr durch die deckende Erdschichte drang. Dies Verscharren erfolgt nur, um den Insekten das Auffinden des Kothes zu erschweren. Die Katze selbst wird ja von dem Geruch ihres Kothes in keiner Weise belästigt.

Denn die Defaecation erfolgt, wenn irgend möglich fern von den Schlafplätzen, Futterplätzen und Spielplätzen der Katze. Fühlt die Katze die Zeit der Defaecation herannahen, so stösst sie bei liebevoller Pflege ihrer Besitzer, wenn sie sich im geschlossenen Zimmer mit letzteren befindet, einen eigenthümlichen scharf charakterisierten kurzen Laut aus, welcher halb bittend halb

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